FUTURE ART MAGAZINE

Einzigartigkeit Mensch: Silke von Clarmann im Interview

Der Mensch. Die Künstlerin Silke von Clarmann bearbeitet dieses Thema in einer speziellen Form der Porträtierung. Hierbei entstehen großformatige, farbintensive Gesichter, die die Wichtigkeit rund um das Thema Toleranz und Frieden verdeutlichen.

Wie kam es zum Verkauf Ihres ersten Kunstwerkes?

Ich wuchs in einer Unternehmerfamilie auf. Kunst spielte dort immer eine große Rolle, aber nur das Sammeln von Kunst und nicht das Erschaffen. „Talent hin oder her, von der Kunst kann man nicht leben!“, war der Glaubenssatz in meiner Kindheit. Doch dann hatte ich Glück, den bekannten Chiemsee-Maler Paul Paulus kennenzulernen. Er ermutigte mich, unkonventionelle Wege einzuschlagen. Mit 13 Jahren nahm ich daher gegen den Willen meiner Eltern an einer Kunstausstellung in einem namhaften Münchener Traditions-unternehmen teil. In meiner damaligen frühpubertären Phase wollte ich meinen Eltern unbedingt beweisen, dass man – also ich – Kunst auch verkaufen kann. Und siehe da, ich habe dort mein erstes Aquarellbild verkauft. Übrigens nicht nur eines, sondern gleich drei. Meine Eltern staunten nicht schlecht – ich auch!

Was schätzen die Sammler Ihrer Werke am meisten an Ihrer Kunst?

In der Regel handelt es sich bei den Sammlern meiner Kunstwerke überwiegend um Frauen. Gerade Frauen fühlen sich von meinen Themen wie beispielsweise Entschleunigung, Achtsamkeit und Aufrechterhaltung der äußeren Fassade angesprochen. Ich denke sie erkennen sich selbst in meinen Bildern und den dazugehörigen Aussagen wieder. Außerdem schätzen sie die dynamische Farbgebung meiner Bilder sehr, daraus können sie Energie ziehen.

Was sind Themen besonderer Bedeutung, die Sie auch immer wieder in Ihrer Kunst behandeln?

Gute Frage. Mir ist das Zuhören extrem wichtig. Hier meine ich nicht nur das Zuhören bei einem Gespräch mit meinem Gegenüber, sondern auch das Hören auf sich selbst, also auf mich. Gerade in dieser schnelllebigen Zeit fällt es uns doch zunehmend schwer, zu sich zu stehen und bei sich zu bleiben. Wir unterscheiden uns alle und dies ist gut so. Deshalb bringe ich die Vielfalt der Menschen auf die Leinwand.

Können Sie uns ein wenig mehr über die „Fassaden“ – Serie erzählen?

Jeder kennt doch die Situation: Sie sitzen im Cafe und beobachten die vorübergehenden Menschen: „Ach, wie schön und selbstbewusst sie doch alle sind“. Aber wenn wir uns Zeit nehmen und die einzelnen Menschen näher kennen lernen, merken wir, wie häufig wir auf diese Fassade hereingefallen sind. Ich frage mich immer wieder, warum wir meinen, uns mit einer Fassade irgendwie schützen müssen. Mit meinen Portraits schaue ich hinter die Fassade und entdecke das eigentliche Wesen im Gegenüber.

„Vielfalt an Farben. Vielfalt an Emotionen. Vielfalt an Menschen. Jeder Mensch trägt eine andere Farbe und ist somit einzigartig“

An welchem Punkt in Ihrem Leben haben Sie begonnen, sich als Künstler zu identifizieren?

Dazu gibt es in der Tat eine lustige Geschichte. Berufsbedingt war mein Mann bei uns im hiesigen Landkreis bereits etabliert und sehr bekannt. Überall wo ich hinkam und meinen Namen nannte, kam als erste Reaktion: „Ah, sind Sie die Frau vom Clarmann?“  Irgendwann im Jahr 2018 hatte ich einen Arzttermin und gab am Empfang meine Versicherungskarte ab. Die nette Dame nahm diese, las den Namen und überlegte. Ich wollte ihr schon zuvorkommen und sagen: „Ja, ich bin die Frau vom …“. Die Frau sagte dann: „Ah, Sie sind die Künstlerin, die gerade die tolle Ausstellung im Kulturhof hat?“

Ja, ab diesem Zeitpunkt fühlte ich mich mit Leib und Seele als Künstlerin. Das war übrigens auch der Zeitpunkt, an dem ich mein neues größeres Atelier bezog

Wie kommt es zu Ihren Ideen und wie entwickeln Sie diese?

Häufig hole ich meine Inspiration aus der Familie. Gerade von den Kindern werden oft Fragen zu aktuellen Geschehnissen gestellt, weltpolitische und ganz persönliche. Hier werde ich als Mama gefordert, Erklärungen für den vielen Zwist zwischen den Menschen zu finden und Lösungsansätze vorzuschlagen. Gerade die Toleranz ist hierbei immer wieder ein ganz wichtiges Thema. Und schon wieder sind wir beim Thema ‚Zuhören‘. Denn nur so ist es möglich, dass wir uns als unterschiedliche Menschen respektvoll kennenlernen und schätzen können.

„Für mich bedeutet der Begriff „Schönheit“ so viel mehr. Schönheit ist ein Empfinden. Eine Emotion, die bei einem ankommt, ausgelöst von der Ausstrahlung seines Gegenübers.“

Welche Orte / Räume haben eine besondere Bedeutung in Ihrer Kunst?

Ich brauche die Gegensätze. Wenn ich aus meinem Atelier sehe, blicke ich auf die Alpen. Mich zieht es aber immer wieder nach Amrum an die Nordsee, und dies v.a. im Winter. Welche Bilder dort entstanden sind, erkennt man am ehesten an den kleinen Formaten, große passen nicht ins Auto.

Umgeben Sie sich mit anderen Künstlern? Wie sieht Ihr Umfeld aus? Gibt es hier Menschen, die auf Ihre Kunst einen Einfluss haben?

Mir ist der Austausch mit anderen Künstlern enorm wichtig. Wobei ich dies nicht nur auf bildende Künstler beziehen möchte. Mich interessiert schon jeher die Herangehensweise von unterschiedlich Kunstschaffenden. Ich meine hiermit, wie diese das gleiche Thema in ihrer eigenen Sparte umsetzen: wie stellt ein Musiker Toleranz dar, ein Tänzer den Respekt oder ein Schriftsteller die Hoffnung. Wenn ein Jeder offen genug für seine Umwelt wäre, gäbe es Einflüsse in Überfluss.

„Für mich bedeutet der Begriff „Schönheit“ so viel mehr. Schönheit ist ein Empfinden. Eine Emotion, die bei einem ankommt, ausgelöst von der Ausstrahlung seines Gegenübers.“

Welche Rolle spielen Innovation und Tradition für Sie?

Tradition und Innovation sind zwei Begriffe, die sich eigentlich im Zeitstrahl der Kunst nur durch das Datum des Betrachtens unterscheiden. Was gestern Innovation war, ist heute Tradition. Und beide bedingen sich gegenseitig. Ich kann nicht innovativ sein, indem ich etwas Neues schaffen möchte, wenn ich nicht weiß, von welchem künstlerischen Weg ich mich wegbewegen möchte. Ohne Tradition kann es eben daher auch keine Innovation geben, und umgekehrt. Tradition ist nicht von vornherein schlecht, ebenso wie Innovation nicht von vornherein das Gelbe vom Ei sein muss. Für mich ist wichtig, dass mir ein Werk emotional etwas sagt. Und hierbei sind diese beiden Begriffe nicht relevant.

Gibt es ein Kunstwerk in Ihrem Leben, dass Sie besonders beeindruckt hat?

Oh ja, dies gibt es. Vor Jahren sah ich in Berlin im Museum ‚Hamburger Bahnhof‘ das Andy Warhol Gemälde von Mao Zedong. Beeindruckt hat mich die Wirkung der unglaublichen Größe mit einer Höhe von 4,30 Meter. Wow, dies war ein echtes Erlebnis.

„Unsere Leistungsorientiertheit braucht eine Entschleunigung. Wir alle müssen uns die notwendige Ruhe zurückgewinnen, um offen für das Kennenlernen anderer Menschen, Bräuche und Kulturen zu sein.“

Was ist ihr Alleinstellungsmerkmal, mit dem Sie sich von anderen Künstlern unterscheiden?

Dies ist eher eine Frage, die die Betrachter entscheiden sollten. Aber wenn Sie mich fragen, glaube ich, dass der Entstehungsprozess sehr eigen ist. Zumal man diesen dem fertigen Gemälde nicht ansieht. Denn eigentlich beginnt bei mir der Malprozess eines Portraits mit einem völligen abstrakten Gemälde, auf das letztendlich das Portraits aufgebaut wird. Manchmal kommt es mir so vor, dass ich mit dem Innenleben eines Menschen beginne und dieses dann letztendlich in Form gieße, in dem ich die entstandenen abstrakten Emotionen auf der Leinwand quasi in einem Kopf verberge. Da sind wir dann schon wieder bei dem Thema der Fassade.

Haben Sie aktuelle oder zukünftige Projekte, über die Sie gerne sprechen möchten?

Mein neues Projekt trägt den schönen Namen ‚lost faces‘. Hier konzentriere ich mich auf Darstellungen von Gesichtern, die irgendwie gerade im Begriff sind, sich zu verändern oder z.B. von der Leinwand zu verschwinden. Gesichter im Vorbeihuschen oder Gesichter mit Verfremdungen – sei es durch Make up, oder andere Masken. Gerade experimentiere ich viel, mit welchen malerischen Mitteln ich dieses umsetzen kann.

Lebensspuren, 100×100

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